Das Ende der ärztlichen Schweigepflicht; wollen wir das?
In eigener Sache.

Liebe Leserin, lieber Leser

Der folgende Text verlangt Ihnen die Fähigkeit ab sich mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen und sich in diesem Zusammenhang eine ausreichende Informationsgrundlage zu verschaffen. Das heisst: Es ist nicht mit wenigen Worten getan.

Nach meiner Weigerung im Sommer 2018 der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich Einsicht in beliebige Patientenakten zu geben, entzog mir diese die Berufausübungsbewilligung. Sie warf mir mangelnde Kooperation vor und zweifelte an meiner geistigen Gesundheit. Im Rahmen der damaligen Begründung gab sie nicht etwa an, dass es Hinweise auf eine mangelnde Behandlungsqualität bei mir gäbe, sondern sie begründete den Entzug vor allem damit, dass sich anhand meiner Publikationen (die ich jeweils vor Veröffentlichung von renommierten Psychiatern/Kollegen gegenlesen lasse) und anhand von Angaben der Polizei (die bis dato nie belegt wurden) Zweifel an meiner geistigen Gesundheit ergeben hätten.
2 ½ Jahre später, mit Schreiben vom 25. Mai 2021, meldete sich die Gesundheitsdirektion erneut bei mir und wies daraufhin, dass der Entzug der Berufsausübungsbewilligung nicht definitiv sei. Falls ich mich psychiatrisch begutachten liesse, sei man bereit die Entscheidung wiederzuerwägen. Mit Schreiben vom 31. Mai 2021 antwortete ich der Gesundheitsdirektion. Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 erhielt ich den definitiven Bescheid der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, unterschrieben von der Kantonsärztin Dr. med. Christiane Meier, MPH.
Nach den folgenden einführenden Worten stehen Ihnen die drei Dokumente aufgeschaltet zur Verfügung und Sie sollten sich mit diesen auseinandersetzen.
Vorab einige Informationen zum Schreiben von Fr. Dr. Meier vom 15.7.2021:
Sie werden erkennen, dass der kantonsärztliche Dienst sich nicht mit meinen sachlichen Informationen und den Belegen in meinem Schreiben vom 31. Mai 2021 befasst hat. Stattdessen stellt Fr. Meier weiterhin ungerührt ihre Behauptungen, etwa im Zusammenhang mit einem angeblichen Polizeibericht vom 28. Januar 2016 (2 ½ Jahre bevor sich die Gesundheitsdirektion bei mir meldete) in den Raum, einem „Polizeibericht“ in den sie mir trotz mehrfacher Aufforderung jeden Einblick verweigert hat.
Was meine Publikationen betrifft bezieht sie sich auf eine „Leseprobe“, die man im Zusammenhang mit einem meiner Bücher (im Internet) gelesen habe und anhand derer man zum Schluss gekommen sei, dass hier etwas mit meiner geistigen Verfassung nicht stimmen könne. Auf den Aspekt, auf den ich in meinem Schreiben vom 31. Mai aufmerksam machte, dass ich (abgesehen davon, dass wir in der Schweiz Publikations- und Wissenschaftsfreiheit haben), wenn sie sich schon auf eine meiner Publikationen bezieht, davon ausgehen dürfe, dass sie zumindest das ganze Buch gelesen hat, geht sie gar nicht ein.
Besonders bemerkenswert am Antwortschreiben vom 15.7.21 für die Allgemeinheit ist jedoch, dass Fr. Meier ganz augenscheinlich davon ausgeht, dass die Behörde angesichts dessen, dass sie befugt ist auf Gesuch hin über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu entscheiden (das Gesuch kann entweder durch einen Patienten selber ergehen, oder der Arzt kann ein begründetes Gesuch an die Gesundheitsdirektion im Zusammenhang mit einem bestimmten Patienten stellen) das Recht habe zur „Qualitätssicherung“ Einblick in beliebige Patientenakten zu nehmen. Dieses Recht hatte die Behörde zum damaligen Zeitpunkt nicht. Es gibt auch keinen nachvollziehbaren Grund, der einen beliebigen Einblick in Patientenakten zur Qualitätssicherung durch die Behörden rechtfertigen würde. Die Qualitätssicherung der ärztlichen Tätigkeit unterliegt in der Schweiz der SIWF (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung). Alle 3 Jahre muss jeder Facharzt belegen, dass er die aktuellen Qualifikationen z.Bsp. durch den laufenden Besuch von Supervisionen und Fortbildungen an anerkannten Fort- und Weiterbildungsstätten erfüllt. In der forensischen Psychiatrie, die mein Schwerpunkt ist, besteht ein massgeblicher Teil in der Schwerpunktausbildung darin, adäquate Dokumentationen zu erstellen und inhaltlich und formal angemessene Berichte an Zuweiser wie z.Bsp. Staatsanwaltschaften etc. zu schreiben. Auch andere Fachdisziplinen unterliegen einem speziell geschulten Berichts- und Dokumentationswesen, dessen Qualität, ob ausreichend oder nicht, durch einen diesbezüglich nicht ausgebildeten Kantonsarzt oder eine Kantonsärztin schlichtweg nicht beurteilt werden kann.
Darüber hinaus ergeben sich andere schwerwiegende Probleme. Man stelle sich vor Fr. Meier hätte die Unterlagen eines nahen Verwandten in meinen Akten gefunden und Einblick in dessen Krankengeschichte genommen, ohne dass dieser darüber etwas weiss, und es wahrscheinlich auch nicht gewollt hätte.

Nach der Intervention der Gesundheitsdirektion in meiner Praxis und nach der Forderung der Kantonsärzte mir Einblick in beliebige Patientenakten zu geben, haben einige meiner ehemaligen Patienten, die ich darüber informiert hatte, zum Ausdruck gegeben, dass sie unter keinen Umständen wünschen, dass die Aufsichtsbehörde bzw. die Gesundheitsdirektion Einblick in ihren intimen persönlichen Bereich erhält. Manche ehemaligen Patienten waren durch das Vorgehen der Gesundheitsdirektion dermassen verunsichert, dass sie keinen Psychiater mehr aufsuchen wollten oder wenn sie es getan haben, bei diesem nachgefragt haben, ob gesichert sei, dass eine Behörde niemals Einblick in ihre Akte bekäme, sofern sie keine Bewilligung gegeben haben. Die Kollegen und Kolleginnen, die diesbezüglich befragt wurden, haben sich übrigens durch die Frage sehr irritiert gezeigt, und versichert, dass ein Einblick der Behörde in die Patientenakte ausgeschlossen sei.
Im März dieses Jahres hat sich die Gesetzeslage auf Bundesebene geändert. Dies kam so:
Im Dezember 2017 hatte der grosse Rat des Kantons Tessin eine Änderung des Gesundheitsgesetzes verabschiedet, die besagt, dass das Berufsgeheimnis der Aufsichtsbehörde nicht entgegen gehalten werden könne, wenn die Aufsicht zur Wahrnehmung von Prüfungs- und Aufsichtspflichten der Behörde verlangt werde. Im August 2018 haben vier Tessiner Kollegen gegen diese Gesetzesänderung geklagt. Nun hat das Bundesgericht (Bundesgerichtsurteil 2C-658/2018 vom 18. März 2021) im März dieses Jahres geurteilt, dass im Rahmen einer gesetzlich vorgeschriebenen und regelmässigen Kontrollfunktion bzw. der Überprüfung der Dienstleistungsfähigkeit durch die aufsichtsführende Behörde Einblick in Patientenakten gewährt werden muss. (siehe dazu auch Schweizerische Ärztezeitung 2021; 102 (24); 799-800. Ciro Papini, Nils Graf, „Wie reagiere ich auf Auskunfsbegehren der Aufsichtsbehörde?“) Abgesehen davon, dass diese Gesetzesgrundlage vor 2 ½ Jahren noch nicht gegeben war, muss es meines Erachtens Aufgabe jedes Kollegen und jeder Kollegin sein sich einer solchen Aufforderung zu widersetzen. Die ärztliche Geheimhaltungspflicht wurde geschaffen um die Patientengeheimnisse besonders auch vor dem Einblick der Behörden zu schützen. Dabei vertraut der Patient und die Patientin einem oder mehreren von ihm bestimmten Ärzten seine Geheimnisse an. Das Patientengeheimnis gehört dem Patienten und den Patientinnen und darf ohne seine oder ihre Bewilligung auch gegenüber keinem anderen Arzt gelüftet werden. Die vorgebrachte Begründung, dass auch Kantonsärzte und Kantonsärztinnen der Geheimhaltungspflicht unterstehen vermag nicht zu greifen. Sie setzt meiner Beurteilung nach Artikel 13 der Bundesverfassung (Schutz der Privatsphäre) ausser Kraft und verletzt Art. 8 der europäischen Menschenrechtskonvention. Das Urteil enthält m.E. weitere Fallstricke, mit schwerwiegenden gesellschaflichen Folgen, auf die ich den Rechtsdienst der FMH (Verbindung der schweizerischen Ärztinnen und Ärzte) aufmerksam gemacht habe.

Weitere Aspekte zum Schreiben der Kantonsärztin Meier vom 15.7.21.
Fr. Meier erwähnt in ihrer Verfügung eine sogenannte „Psychiatrische Hospitalisation“ von mir aus dem Jahre 2004. Denjenigen Leserinnen und Lesern, die sich einen Einblick verschaffen wollen, was sich im Jahre 2004 wirklich zugetragen hat, sei das Lesen meines, mit reichhaltigem Belegmaterial versehenen Buches, „Rechtslose Zustände? Wie man eine Demokratie auch zerstören kann, oder Rettet die Freiheit! Von der Verwüstung des Rechts in der Schweiz – am Volk vorbei“ empfohlen.
Dort erfahren Sie, was es mit der ganzen Geschichte wirklich auf sich hat. Die Publikation enthält 100e von Seiten Belegmaterial und Dokumentationen. Sie können die Publikation als E-Book lesen, (ASIN Nr. B08P23DH5M) oder versuchen sie als Papierbuch zu erhalten (ISBN: 978-3-8301-1687-5) oder sich an mich wenden, wenn Sie die Publikation als Papierbuch lesen möchten.
Abschliessend sei dem in dieses Sachgebiet weniger eingearbeiteten Leser die Information gegeben, dass selbst wenn die Angaben von Fr. Meier bezüglich einer psychiatrischen Hospitalisation von mir in dieser Weise zutreffen würden, sich Kantonsärzte und Kantonsärztinnen in unserem Land normalerweise nicht darum kümmern, ob jemand vor mehr als 1 ½ Jahrzehnten einmal psychiatrisch hospitalisiert gewesen ist, solange sich keine Zeichen von Qualitätseinbussen im Hinblick auf die Behandlung von Patienten und Patientinnen abzeichnen. Allfällige Qualitätsprobleme meiner Behandlungen sind in der gesamten Verfügung der Gesundheitsdirektion wie Sie nachprüfen können mit keinem Wort beschrieben.

Fazit zur Verfügung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich vom 15. Juli 2021:
In Ihrem achtseitigen Lamento über meine angebliche Geisteskrankheit, die es rechtfertigten soll mir die Berufsausübungsbewilligung zu entziehen, hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich den zentralen Fokus ignoriert: Den Patient und die Patientin.
In der ganzen Verfügung findet sich nicht ein Hinweis, dass Patienten oder Patientinnen Klagen erhoben haben, Auftraggeber sich irritiert gezeigt hätten über meine Verfassung, und/oder dass es irgendwelche Zeichen von Behandlungsfehlern gegeben habe. Mit diesem Dokument belegt die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, dass mir bei der Ausübung meiner fast 40-jährigen intensiven beruflichen Tätigkeit nie etwas vorzuwerfen war. Eine Qualitätsminderung zulasten von Patienten und Patientinnen wäre der einzige relevante Aspekt gewesen, über den der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich ein Urteil zugestanden wäre.
Unser Land bewegt sich in eine gefährliche Richtung, die Willkür ermöglichen und unsere menschlichen und demokratischen Grundlagen zerstören kann. Das Schreiben der Gesundheitsdirektion vom 15. Juli 21 trägt eher die Züge eines Rachefeldzuges, weil ich in meiner Publikation „Rechtlose Zustände?“ Entwicklungen in der Schweiz beschrieben habe, über die Stillschweigen gewahrt werden soll, als Züge einer rechtskonformen Verfügung, die zum Inhalt hat, was einer Gesundheitsdirektion als Aufsichtsbehörde zusteht: Die Sicherstellung einer guten medizinischen und psychiatrischen Behandlung der Bürgerinnen und Bürger. Auf diesem Hintergrund darf sich jeder ausmalen wie es angesichts des Bundesgerichtsurteils vom März 2021 um eine allfällige zukünftige „Qualitätssicherung“ unserer Tätigkeit durch die Behörden durch die Möglichkeit des unbegrenzten Einblicks in Patientenakten bestellt sein wird!
Schluss mit staatlicher und behördlicher Desinformation!
Lesen Sie auf dieser Webseite auch meine Beiträge zu „Covid-19“ und interessieren Sie sich für meine gerade in diesem Zusammenhang wichtige neue Publikation „Die Arzt-Patient-Beziehung in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen - Was zählt?“ aus dem Jahre 2020. Sie können jetzt die Dokumente anklicken und einsehen.

Catja Wyler van Laak, 23.7.2021