Der Feind ist ausgemacht. Der „Russe“ ist der „Böse“. Eine Dramaturgie, deren Drehbuch einem James Bond Film gleicht, überzieht zur Zeit die europäische Medienlandschaft und grosse Teile der europäischen Politik. Schauen wir dagegen über den Tellerrand und betrachten die Medieninformationen aus Israel, begegnen wir einem anderen Bild. Israel, an dem keiner zweifelt, dass es sich dem westlichen Bündnis zugehörig gefühlt, hat es bis jetzt vermocht, sich neutral zu verhalten, was sich nicht zuletzt in einer ausgewogeneren Informationspolitik zeigt.
Wie steht es mit der Haltung der Schweiz? Die deutsche Wochenzeitschrift „Die Zeit“ drückte es auf ihrer Titelseite vom 2. März 2022 folgendermassen aus:
Die Schweizer Regierung habe zunächst beschlossen lediglich sogenannte Umgehungsverhinderungsmassnahmen durchzusetzen. Aussenminister Cassis habe dies nicht ohne Stolz eine „eigenständige“ und „differenzierte“ Sanktionspolitik genannt.
„Übers Wochenende wurde der Druck immer grösser. Tausende demonstrierten in Bern gegen den Krieg und für härter Sanktionen. Die EU und die USA drohten freundlich, aber bestimmt: Macht ihr nicht mit, lernt ihr uns kennen. So wie damals, als die Amerikaner im Steuerstreit mit der Schweiz kurzerhand das Bankgeheimnis sprengten.“
In der Folge änderte die Schweiz ihre Position und übernahm die EU-Sanktionen, was im Ausland mit der Feststellung gouttiert wurde, die Schweiz habe ihren neutralen Status verlassen. Wie souverän war der Positionswechsel der souveränen Schweiz? Als Bürger hätte man sich zu den „freundlichen Drohungen“ aus der EU und den USA eine Stellungnahme von unserer Regierung gewünscht.
Während man jahrzehntelang der russischen Politik mit zum Teil bemerkenswerter Naivität begegnete, schlägt dies nun um in eine schier grenzenlose Feindseligkeit. Nur wer sein Gegenüber mit all seinen Tücken kennt, kann ihm im Konfliktfall mit Respekt begegnen. Das ist keine Rechtfertigung für den Krieg. Diesen Vorwurf kann der Leser mir nicht machen, schon gar nicht nach der Veröffentlichung meines 2018 erschienenen Buches „Politisierte Psychiatrie und Medizin im heutigen Russland und deren Auswirkungen auf die Schweiz“, welches inzwischen nur noch als E-Book erhältlich ist. 2014/15 unterzeichneten Russland und die Ukraine gemeinsam mit Vertretern der Provinzen Lugansk und Donetsk sowie einer Vertretung der OSZE auf Initiative Deutschland und Frankreichs hin den Minsker Vertrag, dem in der Folge Völkerrechtsstatus zugesprochen wurde. Dieser sollte die kriegerischen Auseinandersetzungen befrieden. Weder Frankreich noch Deutschland waren in der Lage diesen Vertrag durchzusetzen und die OSZE kam ihrer Verantwortung einen Friedenskorridor zu sichern, nicht nach. Es folgte kein Protest, der heute so heftig für den Frieden kämpfenden westlichen Welt und seiner Bürger und Bürgerinnen. Russland fühlte sich und war auch durch dieses Vorgehen benachteiligt. Wochen vor Ausbruch des Krieges war in verschiedenen Medien der implizite Vorwurf zu hören und zu lesen, dass Putin auf dem Minsker Abkommen bestehe. Nun bleibt nicht einzusehen, warum Russland nicht auf der Einhaltung eines Vertrages bestehen soll, der Völkerrechtsstatus hat. Unter der Vermittlung des heutigen deutschen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier war 2019 ein wichtiger weiterer Fortschritt im Ostukrainekonflikt erzielt worden mit einer Einigung auf die sogenannte „Steinmeierformel“. Auch diese Vereinbarungen blieben tote Buchstaben, wie es der grünliberale Nationalrat Martin Bäumle im Sonn-Talk, einer Fernsehsendung von Tele Züri vom 27.2.22 charakterisierte. Sie wissen nicht, was die Steinmeierformel ist? Dann bilden Sie sich eine Meinung und informieren Sie sich, damit Sie nicht Gefahr laufen im Namen des Friedens den Krieg anzuheizen.
Dr. med. Catja Wyler van Laak im März 2022